Wie funktioniert Bürgerbeteiligung?
Unsere von Menschen gemachte Umwelt, wie wir sie z.B. in Stadt- und Verkehrsstrukturen vorfinden, ist in der Regel das Ergebnis von demokratischen Prozessen. So entscheiden über große Bauvorhaben in Hamburg die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerschaft. Dennoch haben viele Bürgerinnen und Bürger das Gefühl, dass ihre Wünsche und Sorgen nicht genügend berücksichtigt werden. Ein Zeichen dafür ist die geringe Wahlbeteiligung. An den Bürgerschaftswahlen 2011 und 2015 nahmen jeweils nur 57 % der stimmberechtigten Wählerinnen und Wähler teil. Kinder und Jugendliche haben gar keine Stimme.
Vertretung von Interessen in der Politik
Eine breite Zustimmung und Engagement wird dann gegeben sein, wenn die Menschen sehen, dass ihre Interessen und auch die Interessen ihrer Kinder oder Freunde vertreten sind. Wichtig dafür ist, dass Informationen (z. B. im Zusammenhang mit einem Verkehrsbauvorhaben) für jeden verfügbar sowie nachvollziehbar sind und behördliche Entscheidungsprozesse transparent verlaufen. Zum anderen sollte man aber auch bei der Entscheidungsfindung ausreichend Gehör finden und mitwirken können.
Bei großen Bauvorhaben – zum Beispiel dem Bau einer neuen Straße – ist im Rahmen eines sogenannten Planfeststellungsverfahrens nach Auslegung der Pläne eine Anhörung Betroffener (z. B. Anwohner oder künftige Nutzer) gesetzlich vorgeschrieben. Oftmals erfolgt aber schon ohne gesetzliche Pflicht eine sogenannten „informelle Beteiligung“ in früheren Planungsphasen. Das erhöht die Akzeptanz, spart Zeit, Planungs- und Baukosten und verhindert möglicherweise aufwendige Gerichtsverfahren mit Betroffenen.
Partizipation – Einbindung in Entscheidungsprozesse
Die Frage ist nicht, ob Anwohnerinnen und Anwohner, Gewerbetreibende, politische Entscheidungsträger, Verbände, Verwaltungen und alle weiteren Betroffenen in Planungen eingebunden werden sollten, sondern, wie diese eingebunden werden sollten. Die Einbeziehung Betroffener in politische Entscheidungsprozesse oder Verwaltungsverfahren – auch Partizipation genannt – kann auf den folgenden Ebenen erfolgen:
- Information: Hierbei handelt es sich um einen einseitig gerichteten Prozess, um Interessierte und Betroffene zu informieren.
- Konsultation: Hier erfolgt der Austausch wechselseitig, indem die Meinungen und Standpunkte der verschiedenen Interessensgruppen erhoben und in den Planungsprozess eingespeist werden.
- Gemeinsam entscheiden: Hierbei werden die Interessensgruppen aktiv in den Entscheidungsprozess eingebunden und erarbeiten mit Politikern, Verwaltungsbeamten und Planern die zu verfolgende Strategie.
- Gemeinsam handeln: Eine sehr fortgeschrittene Stufe der Partizipation ist die aktive Einbeziehung der Interessensgruppen in die Umsetzung beschlossener Planungen, bspw. durch die Bildung von Partnerschaften zwischen öffentlichem Sektor und Privatwirtschaft.
- Unterstützung unabhängiger Interessensgruppen: Dieser Ansatz geht am weitesten, indem Entscheidungsträger einzelnen Interessensgruppen gestatten, eigene Strategien zu entwickeln und umzusetzen.
Überblick über verschiedene Partizipationsformen
- Beirat: Beiräte oder auch Foren, Arbeitskreise und Hearings tagen ein-, mehrmalig oder regelmäßig zu verschiedenen Fragen auf unterschiedlichen Verwaltungsebenen und üben dabei in den meisten Fällen beratende Funktionen aus.
- Bürgerinitiative: Bürgerinitiativen sind Bewegungen, die spontan auf unerwünschte Entwicklungen im politischen System reagieren, und zwar in der Regel zu eng eingegrenzten Themen.
- Anwaltsplanung: Wichtigstes Merkmal dieser Beteiligungsform ist, dass die Betroffenen zur Artikulation und Vertretung ihrer Interessen von einem unabhängigen Fachmann unterstützt werden.
- Planungszelle: Ziel dieses Verfahrens ist es, ein breites Spektrum verschiedener Meinungen zu dem betreffenden Thema einzubeziehen und zu gewährleisten, dass auch in den anderen Verfahren tendenziell unterrepräsentierte Gruppen vertreten sind. Die Teilnehmer werden von ihrer Alltagsarbeit freigestellt und dafür vergütet.
- Zukunftswerkstatt: Zukunftswerkstätten bestehen typischerweise aus folgenden Phasen: Vorbereitungsphase, Kritikphase, Fantasiephase und Realisierungsphase. Kernstück der Zukunftswerkstatt ist die Fantasiephase, in der Fantasien und Utopien zum Thema formuliert werden, ohne den Anspruch auf tatsächliche Realisierbarkeit zu erheben. Teilweise münden die Zukunftswerkstätten in permanente Werkstätten, in denen sich die Teilnehmer auch an der Umsetzung der Planungen beteiligen.
- Mediation: Unter den Begriff der Mediation fallen ganz verschiedene Verfahren, deren gemeinsames Merkmal es ist, dass ein so genannter Mediator zu Konfliktlösung eingeschaltet wird. Der Mediator fungiert als Vermittler, sucht auch außerhalb der Sitzungen die Konfliktparteien auf und versucht so, kompromissfähige Lösungen zu finden.
Online-Verfahren zur Bürgerbeteiligung
Hamburg engagiert sich ganz besonders bei der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern im Online-Verfahren. Seit 2002 gibt es zu den verschiedensten Verwaltungsthemen Online-Diskussionen. Außerdem hat der Hamburger Senat im April 2012 auf Ersuchen der Bürgerschaft die Einrichtung einer „Hamburger Stadtwerkstatt“ beschlossen. Sie soll als Plattform für eine Verstärkung der Information und Partizipation bei Stadtentwicklungsprojekten und Umweltschutzthemen dienen. Dazu zählen alle Informations- und Beteiligungsverfahren, die über die formelle Beteiligung hinausgehen. Die Stadtwerkstatt bildet das Dach dieser Beteiligungsverfahren.
STADTWERKSTATT
Information und Beteiligung in der Stadtentwicklung
Planungs-Projekte des Senats mit Bürger-Beteiligung
(z.B. Hamburger Deckel)
Diskussions-Veranstaltungen
(zu Themen von gesamt-städtischem Interesse)
Planungs-Projekte der Bezirke mit Bürger-Beteiligung
(z.B. Hebebrand-Quartier)
Bausteine: Markenzeichen, Qualitätskriterien, Internetplattform, Dialogbeirat
Koordinierungsstelle in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt
Bislang haben im Rahmen der „Hamburger Stadtwerkstatt“ verschiedene Veranstaltungen stattgefunden, z. B. zum Umgang mit dem Klimawandel, zur Mobilität in der Stadt, Energiewende, Stadtentwicklung, Olympiabewerbung, Denkmalschutz sowie Wohnen und Bauen.